Follow up zur Online-Fachtagung

“FASD trifft Trauma” – Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei pädagogischen Interventionen

26.-27. April 2021 in Köln

Etwa 300 Teilnehmer*Innen aus Deutschland und angrenzenden Ländern wie Österreich, Schweiz, Niederlande und Belgien haben an der Fachtagung via Livestream teilgenommen. Die digitale Ausrichtung der Veranstaltung machte die Teilnahme über Regionen und Grenzen hinweg möglich. Dies ist sicherlich ein Benefit der Corona-Zeit. Unsere zweitägige Fachtagung hat große und positive Resonanz erhalten mit zahlreichen Kommentaren – dafür ganz herzlicher Dank! Auch wir sind glücklich, dass die Tagung so gut gelaufen ist, mit kompetenter Technik und tollen Expert*Innen.

Die spannenden uns gehaltvollen Themenbeiträge der Referenten folgten dem roten Faden des Programms “FASD trifft Trauma”, mit dem die beiden großen Themenfelder FASD und Traumafolgestörungen zunächst einzeln betrachtet und dann miteinander verwoben wurden.

Und diese Verbindung ist ein nächster logischer Schritt für die Weiterentwicklung pädagogischer Handlungsstrategien bei FASD und/oder Trauma. Allein um festzustellen, das FASD und Trauma zusammen gedacht werden sollte, um große Gemeinsamkeiten bei pädagogischen Interventionen zu entdecken. Dabei mag das Wording der verschiedenen Fachdisziplinen unterschiedlich erscheinen, inhaltlich liegen die Aussagen nahe beieinander. Dies wurde in den neurobiologischen Grundlagen zur Gehirnentwicklung und möglicher Schädigungen durch Alkohol und Stress (Trauma) deutlich (Dr. Stefan Grothe, Chefarzet SPZ Düren). Auch die traumapädagogische Maxime vom “sicheren Ort” sowie dem “guten Grund” für Verhalten lassen sich auf FASD übertragen. Hier sprechen wir von regelmäßiger Struktur (Struktur gibt Sicherheit) sowie von hirnorganischen Störungen der Wahrnehmung und exekutiven Funktionen, die der gute Grund für FASD-Verhalten sind. Gemeinsam getragen werden die pädagogischen Interventionen von einer respektvollen Haltung. Zudem wurde betont, wie wichtig ein kooperierendes und gut vernetztes Hilfessystem ist, in dem Schule, Kindergarten, Fachberatung, Freizeitaktivitäten und Umfeld ebenfalls zu einem sicheren Ort gehören (Dr. Matthias Luther, Uniklinik Basel). Bei Interventionen, die beim Kind ansetzen wie beispieweise therapeutische Maßnahmen, wurde die Bedeutung der Bezugspersonenarbeit herausgestellt. So kann eine wöchentliche Therapiestunde mit dem Kind im Alltag nicht viel bewirken, vielmehr geht es um den Transfer und die Begleitung durch das Umfeld, flankiert durch eine früh beginnende Psychoedukation des Kindes/Jugendlichen, die unter ihrem Verhalten besonders leiden. (Eva Schoofs, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, und Ralf Neier, Pädagoge und Fachberater FASD)

Besonderes Augenmerk galt am zweiten Tag den Bezugspersonen und ihren Belastungen. Nur regelmäßige Auszeiten und ritualisierte Selbstfürsorge helfen, den “sicheren Ort” stabil zu erhalten und verhindern, dass die Bezugspersonen sekundärtraumatisiert und dauer-erschöpft werden. (Hedi Gies, Institut für Trauma und Pädagogik)

Das Thema Auszeit, Gesundheit und Resilienz für Bezugspersonen wurde parallel in einem neuen Projektes des Erziehungsbüro Rheinland aufgenommen und auf der Fachtagung mit allen Teilnehmer*Innen praktiziert: Die angeleiteten kleinen Auszeiten zur Selbtsfürsorge ganz praktisch am Bildschirm und in den Pausen fanden großen Zuspruch.

Im sozialrechtlichen Kontext von BTHG und §35a SGB VIII waren die Aussagen besonders spannend, dass sich Behinderung immer im gesamten Umfeld auswirkt und keine auf ein Individuum begrenzte Diagnose ist. Außerdem wurde neben der medizinischen Diagnosestellung der Begriff der sozialpädagogischen Diagnose ergänzt, um Kinder/Jugendliche besser identifizieren zu können, die von seelischer Behinderung bedroht sind und daher entsprechende Unterstützung benötigen. (Gila Schindler, Fachanwältin für Sozialrecht)

Doch wie gehen Bezugspersonen/ Teams am besten mit den Betreuten um? Um dieses herauszufinden, hilft die Methode des hermeneutischen Kreises von Erik Bosch. Einem Tableau gleich, werden biographische und entwicklungspychologische Informationen zusammengetragen. Ziel dabei ist es, einen adäquaten Betreuungstil zu erarbeiten, der sich am sozial-emotionalen Entwicklungsalter des Betreuten orientiert. Dies wird bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen wichtig, da sie möglicherweise ein niedriges emotionales Entwicklungsalter haben, sie aber dennoch respektvoll und nicht kindlich behandelt werden sollten.

Ergänzend zu den Vorträge der Vormittage fanden am Nachmittag praxisorientierte, vertiefende Workshops statt.

Alle Referent*Innen und Workshop-Leiter*Innen mit ihren Themen sind im Programm beschrieben bzw. finden sich in der Padlet-Zusammenfassung wieder:

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